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Das Pferd ist dein Spiegel
Es ist überraschend, wie sehr sich Reiter und Pferd gegenseitig beeinflussen, sowohl in ihrer mentalen als auch in ihrer körperlichen Verhaltensweise. Dies trifft insbesondere auf Reiter-Pferd-Paare zu, die seit langem aneinander gewöhnt sind.
Von einem Reiter zum anderen...
Wenn ich das Pferd eines anderen Reiters reite, spüre ich diesen Einfluss sehr schnell.
Und zwar derart, dass man rasch auf die gleichen Fehler wie der übliche Reiter verfallen kann, wenn man nicht aufpasst.
Kürzlich ritt ich ein gleichmäßiges, ausgeglichenes Pferd, das vor allem sehr ruhig bei der Dressurarbeit war. Nach dem Lösen beschloss ich, zunächst an einigen ganz niedrigen Hindernissen zu arbeiten. Einige Galoppsprünge vor einem kleinen Hindernis spürte ich plötzlich eine ungewöhnliche Unruhe beim Pferd: Seine Atmung blockierte, seine Bewegungen verloren an Geschmeidigkeit. Das Pferd sprang, doch seine Bewegung war wie vor Angst gelähmt. Einige Meter nach der Landung war es wieder ruhig und atmete normal.
Es war nicht schwer, zu verstehen, dass das Pferd das Angstverhalten seiner üblichen Reiterin wiederspiegelte. Die Gefahr bestand darin, dass ich mich von dem Pferd zum Mitspielen hätte verleiten lassen können. Dann hätte auch meine eigene Atmung vor jedem Sprung blockiert.
Es lassen sich viele andere Beispiele nennen. Ein Reiter, der mit zu hohen Händen reitet, setzt sich auf bestimmte Weise in den Sattel. Um die durch die schlechte Gewichtsverteilung des Reiters verursachte Beeinträchtigung auszugleichen, wird das Pferd dazu neigen, seine Haltung so zu organisieren, dass es am wenigsten leidet. Wenn Sie dieses Pferd reiten, werden Sie schnell dazu neigen, den gleichen Fehler wie sein Reiter anzunehmen, da Sie das Pferd durch sein Verhalten und seine Haltung in diese schlechte Haltung bringen wird.
Ebenso, wenn Sie selbst verspannt und besorgt sind, wird das Pferd Ihre Verspannung wahrnehmen und sich selbst blockieren. Und zwar im Allgemeinen das gleiche Körperteil wie Sie selbst, nämlich ein verkrampfter Kiefer oder ein steifer Rücken.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier
Ich stelle übrigens regelmäßig fest, dass dieselben Reiter oft denselben Pferdetyp reiten. Ein Reiter, der ein Pferd lange Zeit mit einer besonderen Technik und einem besonderen Stil geritten hat, wird dazu neigen, bei allen Pferden, die er reitet, dieselbe Konfiguration zu suchen und zu bewirken. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und neigt dazu, stets die gleichen Situationen zu schaffen. Ich erinnere mich an eine Reiterin, die viele Turniere mit einem sehr hitzigen Pferd gewann, das mit hocher-hobenem Kopf und hochgestrecktem Hals sprang. Heute haben alle Pferde, die sie reitet, die gleiche Haltung. Ich bin überzeugt davon, dass ihr aufgrund dieser mangelnden Analyse zahlreiche andere Erfahrungen entgehen. Diese Erfahrungen würden sicher dazu beitragen, dass sie in ihrer Reitweise Fortschritte macht. Es ist auch sehr schädlich für die Pferde, die in dieser falschen und unnatürlichen Haltung unvermeidlich leiden. Sie zeigen übrigens alle kurzfristig dieselben Pathologien.
Zu seiner wahren Natur zurückfinden...
Um mit diesen Situationen umzugehen, in denen der Reiter dazu neigt, seine Reitweise von den Gewohnheiten oder Fehlern des Pferdes abhängig zu machen, ist es von grundlegender Bedeutung, sich stets auf seine eigenen Gefühle zu konzentrieren, und seine Grundhaltung beizubehalten. Und zwar solange, bis das Pferd spürt, dass es komfortabler ist, in normaler Haltung zu gehen.
Oft nehme ich als Ausgangspunkt die körperliche Beschaffenheit des Pferdes, und zwar mit dem Ziel, es in der Folge in eine mentale Disposition zu versetzen, die für die qualitative Arbeit günstig ist. Ich beginne beispielsweise mit dem Lösen an der Longe. Ohne Reiter auf dem Rücken kann sich das Pferd frei bewegen und seinen Körperzustand organisieren, um mit seinem Körper bei der Arbeit unter dem Reiter verfügbarer zu sein.
Ich kann auch von einer Analyse meines eigenen mentalen oder körperlichen Zustands ausgehen. Es ist wichtig, sich nicht von Zwängen wie Angst, Groll oder Wut zu einem bestimmten Verhalten verleiten zu lassen. Kurz gesagt, man selbst zu sein, das heißt eine ausgewogene Verteilung seiner Energie zwischen seinen Handlungen, seinen Gedanken und seinen Empfindungen zu haben. Wenn die Gefühle, die Angst oder die Wut Überhand nehmen, werden die Analysefähigkeiten beeinträchtigt, und die Handlungen verlieren ihre Effizienz. Die Kommunikation mit dem Pferd kann nicht mehr klar und verständlich sein.
Nachdem «der Kopf» richtig konditioniert ist, kann man sich - ausgehend von einer freien Geistesverfassung - darauf konzentrieren, an seiner Körperhaltung zu arbeiten und sich so weit wie möglich dem idealen Sitz zu nähern. Nur unter dieser Bedingung können Reiter und Pferd wirklich in Harmonie sein.